SPD stellt ihre Ministerriege vor

Überraschungen und Selbstverständlichkeiten
Der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz hat am Nikolaustag den Teil des Bundeskabinetts vorgestellt, für den die SPD die Verantwortung und das Vorschlagsrecht hat. Keine Überraschung, dass Olaf Scholz Fachkompetenz vor regionalem Proporz gestellt hat.

Größte Überraschung allerdings ist die Besetzung des Bundesinnenministeriums mit der hessischen Parteivorsitzenden Nancy Faeser. Man darf vermuten, dass sie – so engagiert wie sie im Hessischen Landtag in den Untersuchungsausschüssen, die sich mit rechtsradikalen Vorgängen befassen/befasst haben, auch dieses Thema, das mit dem faschistoiden Fackelmarsch auf das Wohnhaus der sächsischen Gesundheitsministerin Petra Köpping am letzten Samstag einen vorläufigen schlimmen Höhepunkt erreichte, bei ihr auf der Prioritätenlist ganz oben steht.

Ein Ende auch um die Spekulationen hinsichtlich Karl Lauterbach. Der „Gesundheitsminister der Herzen“ für einen Großteil der deutschen Bevölkerung ist es denn doch geworden. Und das ist gut so. Mit den bereits angestoßenen gesetzlichen und organisatorischen Veränderungen sollte es gelingen, der Pandemie wirkungsvoll und so rasch es irgend geht zu begegnen – aber auch das Gesundheitswesen für künftige Krisen robuster aufzustellen.

Hubertus Heil ist und bleibt Bundesminister für Arbeit und Soziales. Er hat bereit im letzten Kabinett Merkel Vieles nach vorn gebracht und kann jetzt darauf aufbauen. Das Bürgergeld, Kindergrundsicherung usw. werden Grundlage für weitere nötige Veränderungen sein.

Christine Lamprecht folgt AKK in Bundesverteidigungsministerin. Zuletzt war sie Superministerin und hat diese Aufgabe ohne Kritik an der Amtsführung bewältigt. Jetzt wird sie auf dem Schleudersitz platz nehmen, wird den Spagat zwischen Friedenspolitik und Verantwortungsübernahme in der Welt machen müssen. Das wird nicht leichter als ihre letzte Zeit werden.

Bundesbauministerin wird Klara Geywitz, einziges SPD-Kabinettsmitglied aus dem „Osten“. Mietpreisbremse, Wohnraumzweckentfremdung, Umwandlung in Eigentum, sozialer Wohnungsbau, Erhaltung von Quartieren, Mieterschutz – eine Mammutaufgabe, die nur in Zusammenarbeit mit den Ländern und den Kommunen erfolgreich sein kann.

Svenja Schulze wechselt in des Ministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – ein Rückblick sei erlaubt: das einzige Ministerium, das in den Merkel-Kabinetten durch einen Unionsminister ziemlich gut und skandalfrei geleitet wurde. Schulze wird es gelingen müssen, durch signifikante Hilfen vor Ort den Migrationsdruck auf Europa zu verringern. Angesichts der nicht gerade optimalen politischen Strukturen in vielen Ländern der Dritten Welt ist das sicher kein einfaches Unterfangen.

Wolfgang Schmidt wechselt von seinem derzeitigen Posten als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium ins Kanzleramt – wenig überraschend, dass Olaf Scholz seinen engsten Vertrauten dorthin mitnimmt. Schmidt hat ihm schon in Hamburger Zeiten oftmals den Rücken freigehalten – und sieht das auch als seine zentrale Aufgabe neben der Koordinierung der Ministerien. Man wird sich daran gewöhnen müssen, dass Olaf Scholz so seinem Politikstil treu bleiben kann – nicht ganz unähnlich dem von Angela Merkel – und sich erst dann zu Wort melden wird, wenn über die Dinge ausreichend nachgedacht wurde. Bis dahin wird man sich an das Gesicht von Wolfgang Schmidt gewöhnen müssen -Opposition wie der Journalismus.

Interessant wird die Vorstellung der weiteren wichtigen Posten, Staatssekretäre, Vorstände von Bundesagenturen, Pressesprecher und vieles mehr. Damit können wir rechnen, nachdem die Vereidigung des gesamten Kabinetts am Mittwoch erfolgt ist. Dann sind weitere Überraschungen zu erwarten.